Gestern hab ich eine Erfahrung gemacht, die mich am Ende sehr "demütig" hat werden lassen - demütig vor dem, was früher die Bauern so alles geleistet haben............ Es geht mal wieder um Leinen - das alte Leinen, wie es früher hergestellt wurde - der Weg vom Anbau bis zum fertigen Produkt - den Leinenballen
die dann weiterverarbeitet / vernäht wurden: wie zum Beispiel die alten Lenensäcke / Getreideesäcke.
Schaut man im Netz, wie Leinen früher gefertigt wurde, findet man einen Artikel einer alten Bauersfrau - ihre Beschreibung liest sich tatsächlich spannend wie ein Roman. In dem Text ist so viel "altes Wissen" beschrieben - ich habe den Text aus dem Waldorf-Ideen-Pool kopiert, weil der Link so lang war und ich keine Ahnung habe, ob er später dann für Euch funktioniert hätte:
Vom Flachs zum Leinen
Bericht einer Bauersfrau
von 1914-1920
Es ist ein langer Weg vom Flachs bis zum fertigen Leinen. Gegen
Anfang Mai wurde der Leinsamen ausgesät. Der Boden musste vorher gut
vorbereitet sein. Die Erde musste ganz fein "krümmelich" sein. Wenn die
Leinsaat aufgegangen und fingerlang war, dann musste gejätet werden. Es
durfte überhaupt kein Unkraut darin sein. Man kroch darüber, um auch
das kleinste Unkraut mitzubekommen. Das Kriechen schadete dem Flachs
nicht. Wenn der Flachs so 50-60 cm hoch war, fing er an zu blühen. Es
war herrlich anzusehen, ein blühendes Flachsfeld, die hellgrünen
Stengeln mit den himmelblauen Blüten. Jede Blüte brachte dann später
eine runde Kapsel mit Samen. Wie alle Getreidearten, so kam auch der
Flachs während des Sommers zum Reifen. Er nahm dann eine bräunliche
Farbe an. Wenn die Kapseln beim Anfassen aufsprangen und der Samen
dunkelbraun war, dann musste der Flachs gezogen werden. Es musste ganz
vorsichtig mit der Hand gemacht werden, denn der Samen wie auch der
Stengel mussten geschont werden. Der Flachs wurde zu kleinen Bündeln
gemacht, so groß, dass man sie mit der Hand umfassen konnte. Dann
wurden diese Bündel zu vieren zum Trockenen aufgestellt. Wenn er dann
gut trocken war, es dauerte meistens so acht bis vierzehn Tage, wurde
der Flachs "aus der Sonne geholt" (ländlicher Ausdruck) und anschließend
gleich mit dem Flegel gedroschen. Nun hatte man den Lein alleine und
den Flachs. Der Lein wurde fein ausgesiebt, denn Leinsamen war bei den
Bauern von großer Bedeutung. Er wurde bei Darmstörungen und Aufblähungen
beim Vieh im gekochten Zustand gebraucht. Sogar die Tierärzte legen
heute noch großen Wert darauf.
Der Flachs wurde nun auf der Wiese fein akkurat in Reihen
ausgebreitet, dass er des Nachts gut vom Tau durchnässt wurde. Das
dauerte wohl einige Wochen. An einem schönen trockenen Tag wurde er dann
aufgenommen, gebündelt und heimgeholt. Der Bast musste sich von den
Stengeln lösen. Nun kam die Vorbereitung zum Braken. Der Flachs kam in
den Backofen, das geschah meistens nach dem Brotbacken. Der Ofen musste
noch ziemlich warm sein, so dass der Flachs durch und durch trocken
wurde. Gleich am anderen Tag ging das Braken los. Das war wohl die
schwerste Arbeit von allem. Man nahm jedesmal eine Hand voll Flachs aus
dem Ofen und ging damit zu der in der Nähe stehenden Brake. Die Brake
war ein hölzernes Gestell, einen Meter breit und 0,80 m hoch. Sie hatte
einen Hebel mit drei Fugen und einen Griff. Das Querstück von der Brake
hatte auch drei Fugen. Die Fugen von beiden Teilen passten ineinander.
Hierzwischen kam nun der Flachs. Mit der linken Hand wurde er
festgehalten, und mit der rechten Hand wurde der Hebel benutzt, immer
auf und ab. Hierdurch löste sich der Bast von den Fasern. Es staubte wie
beim Dreschen, und der Schweiß kam ordentlich zum Vorschein. Diese Hand
voll wurde so lange gebrakt, bis man den reinen Flachs hatte. Dann kam
in der Mitte ein Faden darum, dass alles schön geordnet blieb. Ja, man
war tagelang am Braken. Die Nachbarn halfen sich auch wohl gegenseitig
mit dem Braken. Nun wurde der Flachs, jedes einzelne Stück durch die
grobe und dann durch die feine "Heckel" gezogen. Die "Heckel" war ein
Kamm von lauter Nadeln, 5 cm hoch. Der Kamm war so 10 x 25 cm und auf
einem Brett befestigt. Die grobe Heckel hatte grobe Nadeln und die
andere feine Nadeln. Wenn nun der Flachs durch beide Heckeln geschlagen
war, was man dann noch in der Hand behielt, war der reine Flachs zum
Spinnen. Das andere war Abfall, man nannte es "Heh". Die Klempner holten
es sich wohl zeitweise ab.
Nun erst kam der Flachs zum Spinnen. Dies wurde hauptsächlich im
Winter gemacht. Es wurde auch wohl zusammen gesponnen, man nannte es
"Spinnmölken". So wie die alten Leute erzählten, kamen meistens hierfür
die jungen Mädchen in Frage. Abends wurden sie dann von den jungen
Burschen abgeholt, und die mussten ihnen dann das Spinnrad nach Haus
tragen.
Ich habe im 1. Weltkrieg von meiner Mutter Flachs und Wolle spinnen
gelernt. Im 2. Weltkrieg kam es mir gut zustatten. Da habe ich viel
Schafwolle gesponnen für Strümpfe und Pullover.
Wurde der Flachs gesponnen, so musste erst der Rocken gemacht werden.
Das machte meistens die Mutter. Sie setzte sich hin und nahm ein Stück
Flachs. Das obere Ende steckte sie sich zweifingerbreit vorne hinter das
Schürzenbord (die alten Frauen trugen Werktags nur blaue
Vorbindschürzen). Jetzt breitete sie den Flachs mit den Händen fein auf
dem Schoß aus. Mit dem Stock wurde der Flachs dann aufgerollt. Es kam
eine Papiermanschette darum, und der Rocken war fertig. Er sah aus wie
eine große Tüte. Nun wurde der Rocken auf das Spinnrad gesetzt, mit der
Spitze nach oben und das Spinnen ging los. Mit der linken Hand wurde
gesponnen, und es wurde immer aus dem Rocken etwas Flachs gezupft, wir
mussten immer sehen, dass wir einen gleichmäßig dünnen Faden bekamen.
Waren mehrere Spulen voll, so kam das Ganze auf den Haspel und wurde zu
Lagen gemacht. Wenn beim Haspeln eine Spule leer war, so wurde eine
neue Spule angefangen. Ende und Anfang der Fäden wurden zusammengeknotet
mit dem sogenannten "Weberknoten" ("Lüeberknüpp") , der ging nie wieder
los. Jedesmal wenn ein Bind fertig war, knackte der Haspel, und es kam
ein Band herum. Jede Lage hatte zwölf Bind, genauso wie man heute eine
Lage Wolle kauft. Hatte man zwölf Lagen fertig, dann kam das Garn zum
Leinenweber, es genügte für eine Rolle Leinen von 17-20 Ellen, 1 m
breit. Ein alter Mann in der Nachbarschaft webte im Winter immer Leinen.
Wenn wir das Leinen zurückbekamen, war es ganz dunkelgrau. Nun musste
es gebleicht werden, und das geschah im Frühjahr, wenn die Sonne schon
recht warm schien. Zuerst wurde Holzasche gekocht und in einen großen
Bottich geschüttet. In diese Brühe kam das Leinen und blieb einen ganzen
Tag darin. Dann wurde es herausgenommen, ordentlich gespült, und dann
wurde es zur Bleiche gebracht. Das war ein großer Teich inmitten einer
Wiese. Die Rolle Leinen war in drei Teilen. Jedes Teil hatte an beiden
Enden je zwei Schlaufen. Durch diese Schlaufen kam je ein Steck, und
dieser wurde tief in die Erde gesteckt. Das Leinen musste stramm über
dem Rasen liegen, damit es auch glatt wurde. Nun musste das Leinen
jeden Tag mit Wasser aus der Bleiche tüchtig besprengt werden,
"bleken" wurde gesagt. Die Bleke wurde öfters gereinigt, damit das
Wasser sauber blieb. Sie war tief und trocknete im Sommer nicht aus.
Gleichzeitig wurde sie auch zum Tränken für das Vieh gebraucht. Jeder
Bauer hatte seine eigene Bleke, mitunter konnten es wohl zwei sein.
Allmählich verlor das Leinen die dunkle Farbe. Es dauerte wohl vier
Wochen, bis es weiß war. An einem schönen warmen Tag wurde es dann
aufgerollt, natürlich musste das Leinen trocken sein. Alsdann war es
gebrauchsfertig. Also sehen Sie ein langer Weg.
Ab 1905/1910 kam das Fabrikleinen auf, es wurde sogar an der Tür
angeboten. Es waren Händler von Bielefeld ("Linnenverköpers") im blauen
Kittel (weite Kittel ohne Knöpfe). Sie trugen einen blauen Leinensack,
so wie eine Art Rucksack. Darin hatten sie wohl fünf bis sechs Rollen
Leinen.
Im 1. Weltkrieg haben wir viel von dem selbstgemachten Leinen
gebraucht. Es wurde gefärbt, und dann Schürzen, Kleider, Hosen und
Kittel daraus gefertigt. Dazumal war gar nichts zu haben. Es war in
dieser Hinsicht weit schlimmer als im letzten Krieg.
(Anmerkung von mir: sie meinte den ersten und zweiten Weltkrieg)
Tja, wie schaffe ich nun die Überleitung zu meinem Thema?
Mehr durch Zufall bekam ich vor ein paar Monaten Kontakt zu einem Händler, der antikes Leinen (gewebt und auch bereits verarbeitet) direkt aus der Ukraine verkauft. Er lebt dort und von dort verschickt er auch. Wir kamen "ins Gespräch", was traditionell früher Leinen dort hergestellt wurde. Das Leinen dort war immer auch etwas gröber als das Leinen, daß wir aus Deutschland kennen. Und es wurde nicht nur zu Decken etc verarbeitet, sondern auch zur traditionellen Kleidung vernäht. Diese weiten Blusen, die Männer (kurz) und Frauen lang früher truge. - wie eben auf dem folgenden Foto auch zu sehen. (fast) immer auch kunstvoll bestickt mit traditionellen ostslawischen Mustern im Kreuzstich - Wyschywanka
Meistens allerdings sehr bunt und großflächig und nicht schwarz und zaghaft, wie bei meinem Exemplar.
Er bot mir dann auch Kugeln von bereits gewebtem aber noch nicht weiterverarbeitetem Leinen an. Für mich wie ein "Jackpot" - so lange suchte ich schon nach diesen "Kugeln", die so einzigartig, dekorativ und wunderschön (in meinen Augen) sind.
Es ist, als würde man sie ganz leise wispern und Geschichten erzählen hören, wenn man diese Kugeln anschaut - erst recht, wenn man weiß, wieviel harte Arbeit nötig ist, bis überhaupt solche Kugeln entstehen!
Er meinte, wenn mich das Thema so fasziniert: er hat auch noch gesponnenes Leinen, das noch nicht aufgerollt ist, das würde er mir mitschicken - wie lieb war das denn bitte? Ich solle aber nicht geschockt sein und viel Zeit haben................. denn, den "Trick" wie man das Leinen dann zu Kugeln gewickelt kriegt, den konnte er mir nicht verraten - er wußte es einfach nicht.
Egal, ich würde das schon schaffen - ich dachte mir: hey, das wird genauso in Zöpfen sein, wie ich es vom alten deutschen Leinen kannte..............
Das wurde ja früher erst zu Zöpfen gedreht in Truhen gelagert, kam dann auf ein Gestellt und wurde von dort dann abgewickelt auf Spulen, um verwebt zu werden - ähnlich, wie man es von den "Wollzöpfen" ja auch kennt. Wo Generationen von Männern abends mit gespreitzen Armen dasaßen und Oma die Wolle dann zu Kugeln wickelte - bei meinen Großeltern war das noch so.............und zum "Lohn" bekam Opa dann warme Socken.....
nunja, ich sollte mich täuschen............... Das Garn war zwar zusammengebunden - aber zu "Haufen" und ich legte es mir erstmal nur in die Deko - davor hatte ich nun doch Respekt!
Vorgestern vor dem Fernseher hatte ich mir den ersten "Woll-Haufen" vorgenommen - das war sehr groben Garn gewesen, fast schon Schnur und ging relativ gut zu entwirren und aufzuwickeln. Weiß der Himmel warum - aber gestern dachte ich dann so bei mir: versuch es doch mal mit dem feineren Garn - so schlimm kann es doch nicht sein................ habe einen solchen feinen "Garn-Haufen" auseinander genommen und er wurde immer länger..............ich wußte mir zum Schluß nicht anders zu helfen und habe ihn über die Tür im Flur gehängt.
Das große Problem - das Leinengarn ist ja nicht aalglatt und aufgrund des hohen Alters, der Lagerung, Transport, was weiß ich, hatten sich viele Fäden miteinander "verhakt". Ich habe selten ein solches Geduldsspiel gehabt und warwar tatsächlich zwischendurch so weit, den ganzen "Mist" auf den Kompost zu werfen. Nach fast 2 Stunden war grad mal diese kleine Kugel fertig..........Durchmesser etwa ein Fünfmark-Stück......das Garn aber auch so fein wie Zwirn.
Nunja, eine Weile hab ich noch weitergewickelt - dann kam der Held nach Haus und es ging auch einfach nicht mehr - ich hab wirklich nur noch Fäden gesehen............ aber wo den Rest lagern, damit er nicht noch weiter verhedderte? So ordentlich wie nur irgend möglich hab ich alles von der Tür genommen, zu Schlaufen verwickelt und erstmal der alten Schneiderpuppe übergeworfen. Denn eines war klar: einfach irgendwo rumliegen lassen war ja keine Option, die Fellträger hätten es garantiert als tolles "Spiel" angesehen!
und um mal zu verdeutlichen, was ich geschafft habe und wie groß teilweise die alten Bälle sein können - zum Größenvergleich: die antike Sodaflasche ist gute 42 cm hoch - der Ball links war von mir am Abend gewickelt, der kleinste Ball in der Mitte gestern aus dem feinen Garn............. und der große Ball wiegt fast 3 kg und kam bereits gewickelt hier an...........
und wenn man sich einmal diese Arbeit gemacht hat - dann schaut man noch viel ehrfürchtiger auf dieses antike Leinen.
überlegt sich 3x was man draus anfertigen möchte! Wo die Schere angesetzt wird, wieviel Rest dann bleibt und daß man jeden kleinsten Rest auch erstmal aufhebt!
ob nun zu Kissen ganz "klassich"
oder die Baumkissen.
Das war es mal wieder für heute - ich hoffe, Euch hat der kleine "Ausflug" in die Geschichte des Leinen gefallen. Und wer sich wundert, warum immer wieder auf den Fotos der Schafgarbe-Kranz aufgetaucht ist:
Das sollte eigentlich bereits ein Post vor etwa 4 Wochen werden - wenigstens einmal im Jahr wollte ich zumindest einen frischen Kranz für uns selbst binden - aus Schafgarbe, die bei uns auf dem Hof sich wild ausgesäat hatte
und alle Fotos waren vor antikem Leinen hier entstanden.
Übrigens: dieser Kranz ist noch aus dem letzten Jahr und hängt seither bei uns im Bad.
- Eure Jacqueline